Der nachfolgende Text wurde von Tomkitty aus dem englischen Übersetzt. Originaltext von B. Terrance Grey.
Die Gründe warum Menschen das Verlangen haben Windeln zu tragen und/oder wie ein Baby behandelt zu werden, sind so verschieden wie die Menschen selbst. Jene mit diesem Verlangen werden allgemein als "adult babies" und "diaper lovers" (oder ABDLs) bezeichnet. Der erste Schritt um dieses Phänomen besser begreifen zu können, ist das aufteilen der AB/DLs in vier Untergruppen. Anhand dieser Untergruppen lässt sich am ehesten eine art Diagnose stellen, die darüber Aufschluss gibt ob eine Person wirklich ein ABDL ist, und falls ja in welchem Umfang er oder sie davon betroffen ist. Es gibt zwei sich überlappende Gruppen, mit jeweils einem "Symptom", dem Verlangen Windeln zu tragen und/oder ein Baby zu sein. Dieses Verlangen ist bei diesen Menschen sehr spezifisch und gleichbleibend, eventuell ist es auch problematisch für sie. Würde man eine Diagnose für diese Gruppe stellen wollen, wäre es wohl "Infantilismus" (engl. "Paraphilic Infantilism"), Windelfetischismus oder beides gleichzeitig. Als nächstes gibt es jene, welche gerne Windeln tragen, Spass haben am "Baby-sein" aber kein tiefes und hochspezifisches verlangen dafür haben. Zuletzt gibt es noch diese Menschen mit mehreren "Symptomen" anderer in der Psychiatrie bekannten Phänomene, wobei jene aus dem "ABDL Umkreis" hinzu kommen. Diese erste Aufteilung erscheint mir am sinnvollsten, ausser für jene Betroffenen in der letzten Gruppe, bei denen alles etwas komplizierter ist.
ABDLs mit nur einem der hier aufgezählten Symptome haben vielleicht, dass was man im deutschen Sprachraum als "Infantilismus" (engl. Paraphilic Infantilism) bezeichnet. Alternativ kommt ein klassischer Windelfetisch in Frage oder beides. Ein Windelfetisch ist logischerweise ein Fetisch bei dem der erotische Fokus auf Windeln gerichtet ist. Infantilismus hingegen ist das Verlangen sich wie ein Baby anzuziehen und zu verhalten. Diese Neigung wurde im Jahr 1987 von der Vereinigung amerikanischer Psychiater als eigenständige Paraphilie anerkannt[1] [2]. Beide werden als Paraphilien kategorisiert.
Infantilismus und der Windelfetischismus sind beides Einzel-Symptom Diagnosen, wie sie "Kopfschmerzen" und "Gelenkschmerzen" auch mal waren. Da das verlangen nach Windeln und dem Säuglingsalter medizinisch nicht wirklich bedrohlich ist, gab es bisher nur sehr wenige Untersuchungen dieser Phänomene. ABDLs suchen äusserst selten wegen diesen Neigungen medizinische Hilfe, was auch dazu beiträgt, dass diese Themen selten bei Ärzten auf grosse Aufmerksamkeit stossen[3] [4]. In der Zukunft wird es vielleicht möglich sein, diese Symptome weiter aufzuteilen in bestimmte "Syndrome" wo dann ganze Gruppen von Symptomen zusammengefasst werden können, und helfen genauere Diagnosen zu stellen. (Die Bezeichnung "adult baby Syndrom" wurde übrigens lediglich für eine TV Sendung erfunden, und hat keinen medizinischen Hintergrund[4].)
Es gibt einige Trends unter den ABDL die vielleicht Hinweise drauf geben können, warum diese Neigungen überhaupt entstanden sind. Da die meisten ABDLs Männlich sind, könnte man annehmen, dass ein grosser biologischer Faktor bei der Entstehung mitspielt [5]. Ein Einfluss der Umgebung scheint ebenfalls da zu sein, wenn man darauf achtet in welcher Familien-internen Reihenfolge viele ABDLs geboren wurden. Dazu kommt, dass "Masochismus" (wozu man auch Infantilismus zählen kann) nur in der westlichen Kultur vorkommt[7]. Normalwerweise, ist die Windel-Art die ein ABDL bevorzugt eine, die während seinen ersten Lebensjahren in seiner Umgebung weit verbreitet war, aber nicht unbedingt jene Art Windeln die er selbst als Kind benutzt hat[8]. Es ist unbekannt ob dies das Alter ist, wo diese Paraphilie entsteht, oder ob sie dann ins Bewusstsein tritt. Vielleicht ist es aber auch eine Mischung aus beidem.
Natürlich gibt es noch einige weitere Theorien zu diesem Thema. Eine der ältesten ist Freuds Ansicht, dass Fetischismus aus der "Kastrationsangst" heraus resultiert[9]. Diese Theorie, wie die meisten anderen aus der Sexualforschung lässt sich aber nicht überprüfen. Wie auch immer, es gibt Theorien ausserhalb Sexualwissenschaft welche man ebenfalls nicht übersehen sollte. Zum Beispiel, Freuds "Abwehrmechanismen" geben eine mögliche Erklärung, auch wenn auch sie nicht überprüfbar sind (siehe "Three Things to do with a Wet Knee Brace"). Die Bindungstheorie bringt ebenfalls etwas Licht ins Dunkle der Paraphilien bzw. des Infantilismus.
Konditionierungs-Experimente haben gezeigt, dass selbst in der Normalbevölkerung beliebige Stimuli gezielt zu "erotisch aufgeladenen" Objekten gemacht werden können[10] [11]. Bei diesen Experimenten wurden Studenten verschiedenen neutralen Bildern ausgesetzt. Z.B. Schuhe und Münzen. Diese Bilder wurden mit erotischen Fotos durchmischt. Dadurch gelang es, dass die Studenten auch nachträglich die neutralen Fotos mit dem sexuellen Inhalt assoziiert haben. Man hat quasi einen künstlichen "Fetisch" geschaffen, jedoch war die assoziation nicht so stark, dass ein beinahe zwanghaftes verhalten, wie bei einer Paraphilie entstand. Im englischen Sprachraum gibt es für solche abgeschwächten Varianten von Fetischen das Wort "Kink". Es beschreibt eine etwas absonderliche sexuelle Vorliebe einer Person, die jedoch nicht so stark ist, dass sie eine absolut dominierende Rolle in der Sexualität dieses Menschen einimmt. 3% der ABDLs Berichten davon, dass sich ihr Interesse erst entwickelt hat, als sie Kontakt hatten mit Windeln für Erwachsene, ABDL Erotika usw. Und sich somit diese Neigung, beziehungsweise dieser Kink, ähnlich wie bei der Konditionierung entwickelt hat. [12] In diesem Fall sind diese Vorlieben kein Symptom einer medizinisch relevanten Paraphilie. Kein Arzt wird einer Person eine Paraphilie attestieren, nur weil sie ein etwas ungewöhnliches Interesse an etwas hat, dass die meisten Menschen nicht teilen. Sicher ist jedoch, dass es ein seltenes Interesse ist. Nur wenige ziehen Windeln an, wenn sie nicht darauf angewiesen sind.
In der Vergangenheit sorgten die starken Vorurteile gegen Windeln und andere "Queere" Interessen dafür, dass jene Menschen die nicht von sich aus ein sehr starkes Verlangen nach diesen Dingen hatten kaum damit begannen zu experimentieren. Im Kontrast dazu "müssen" Adult Babies und Windelfetischisten diese Dinge praktisch ausleben, weil es für sie für sie etwa jenen Stellenwert hat, den für andere Menschen (z.B) normaler Geschlechtsverkehr hat. Dieser Trieb lässt sich auch nicht ohne weiteres Unterdrücken. Im Gegensatz zur Normalbevölkerung haben viele ABDLs und Windelfetischisten über Jahre oder gar Jahrzehnte mit sich selbst gerungen und versucht ihre sexuelle Orientierung zu unterdrücken. Oft besteht dieses Interesse bereits sehr früh, und die betroffenen haben das Gefühl die einzigen Menschen auf der Welt zu sein, die diese Neigung haben.
Währenddem diese Interessen vielleicht problematisch im sozialen Umfeld der Betroffenen sind, und generell als "komisch" angesehen werden, sind sie jedoch nicht in einem medizinischen Sinn gefährlich. Wie bereits erwähnt suchen äusserst wenige ABDLs Ärzte wegen ihrem Verhalten auf. Daraus resultiert, dass in der medizinischen Literatur vorwiegend Fälle dokumentiert sind, bei denen das Tragen von Windeln und anderes ABDL typisches Verhalten rein zufällig bei einer Person auftrat, welche aber an ganz anderen Dingen "litt" (z.B. [13] [14] [15] [16]) Zusätzlich zu den Windeln, gibt es weitere Dinge welche für Verwirrung sorgen könnnen. Zum Beispiel, wird das Plüschtier eines Adult Babies mit einem "Übergangsobjekt" verwechselt[17] [18] [19]. Unter Erwachsenen gelten "Übergangsobjekte" als indikator für eine "Borderline" Persönlichkeitsstörung (BPS)[20]. Das Geschlechterverhältnis von ABDLs welche mit BPS diagnostiziert wurden ist in der von uns durchgeführten Umfrage nur so marginal überdurchschnittlich, dass es sich nicht klar von einer zufälligen Schwankung oder von einer überdiagnose[21] seitens der Ärzte abgrenzen lässt.
Es gibt aber tatsächlich einige Krankheitsbilder die bei ABDLs öfters vorkommen als beim Rest der Bevölkerung. Ein Beispiel ist das "Asperger Syndrom" Eine Krankheit aus dem Autismus Spektrum. Etwa 4% der ABDLs haben diese Diagnose erhalten [21]. Oftmals macht es sich durch ein typisch "nerdiges" auftreten bemerkbar. Diese Leute haben oftmals sehr spezielle Interessen, Kleiden sich gelegentlich etwas aussergewöhnlich (bzw. der Situation unangepasst) und haben Mühe damit, die Emotionen anderer Menschen zu "lesen". Es handelt sich quasi um eine abgeschwächte Form von dem was man allgemein unter "Autismus" versteht. Neben Asperger gibt es mit 7% einen relativ grossen Anteil Personen die von Zwangserkrankungen betroffen sind[21]. Wobei jedoch nur frühe Fälle von Zwangserkrankungen das typische Alter "treffen" wo die meisten ABDLs sich ihrer Neigung bewusst werden. Typisch für diese Erkrankungsart ist, dass Zwanghafte ausüben bestimmter Tätigkeiten, welche die betroffene Person von schwer definierbaren "negativen Konsequenzen" bewahren soll. Vielen erkrankten ist hierbei die Sinnlosigkeit des Unterfangens voll bewusst.
Im Vergleich mit den anderen Gruppen, sind diese Personen wohl schwerer von Psychischen Krankheiten betroffen, haben aber durch ihre relativ bekannten Krankheitsbilder bessere Chancen auf korrekte Diagnosen und Therapien.
Akademische Neugier und der Wunsch die eigenen Neigungen und deren Ursachen besser zu verstehen waren die Hauptgründe für die Beschäftigung mit diesen Themen. Aber auch um die Vergangenheit besser interpretieren zu können, und daraus vielleicht einen Nutzen für die Zukunft zu ziehen.
Viele Eltern von ABDLs fragen sich ob, sie etwas falsch gemacht haben, bzw. ob ihre Erziehung der Grund für das Verhalten des Kindes ist. In den meisten Fällen gibt aber keinen Grund zu glauben, dass die Eltern die Entwicklung des Infantilismus oder eines Windelfetischs hätten beeinflussen können (Es gibt jedoch auch Ausnahmen, wie bei einem Umfrage-Teilnehmer der uns traurigerweise davon Berichtete, dass sein Vater den Draht eines Kleiderbügels in seine Harnröhre gerammt hat, und damit ein emotionales Trauma und eine Urin Inkontinenz ausgelöst hat.)
Der "Betroffene" ABDL, seine Eltern oder seine Freundin suchen oftmals nach einer "Heilung" von dieser Neigung. Die Prognose hängt jedoch stark damit zusammen in welcher der hier aufgeführten Gruppen die Betroffene Person ist. Ein etwas aussergewöhnliches sexuelles Interesse, das hauptsächlich auf Neugier basiert, lässt sich leicht aufgeben oder gegen ein anderes "eintauschen". Infantilismus oder Windelfetischismus, sind für viele Menschen hingegen Lebenslange Begleiter. Wobei es sein kann, dass mit steigendem alter das Interesse etwas abnimmt[22]. (Der Autor hatte Kontakt mit jemandem der behauptet mit 53 aus seinem Infantilismus "herausgewachsen" zu sein.) Es gibt keine bekannte Heilung. Ein anderer Patient unterzog sich unglücklicherweise einer medikamentösen Behandlung um eine andere Paraphilie loszuwerden, was lediglich darin resultierte einen Windelfetisch zu entwickeln[23]. Die beste Option wird wohl sein Praktiken die Person selbst schaden möglichst zu vermeiden wie der sogenannte "binge und purge Zyklus", und sich langfristig mit der Akzeptanz dieser Neigung im Angesicht der persönlichen Situation und evtl. auch des Glaubens auseinanderzusetzen.
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